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Hamburg-Berlin, zwei Räder minus eins

Hamburg-Berlin, zwei Räder minus eins

Beim Ausblick während einer Bahnfahrt zwischen Hauptstadt und Hamburg setzte sich in meinem Kopf der Gedanke fest, dass es eine super Radstrecke wäre. Bis ich den Kopf meines Liebsten auch davon überzeugt hatte, dauerte es eine Weile. Dann endlich, ein sonniger Mai und wir unterwegs. 

Nach dem Start in Hamburg-Harburg ging es zügig durch die erste Baustelle auf zur Elbe. Damit der Flussblick nicht die Konzentration stört, ist weitgehend der Deich dazwischen gebaut. Es ist also grün und grün und geht geradeaus. Meditativ oder langweilig, das liegt im Auge Betrachters. Zur Abwechslung Gegenwind und ein paar Hügel, die mit 13 Prozent Steigung uns Unmotorisierte durchaus ins Schwitzen brachten.

Erste Übernachtung nach 100 km bei den Zwergen von Hitzacker, Die kleinen Kerle waren dort einst so hilfreich, dass sie in der Stadt 50 bronzene Skulpturen als Dank bekamen. Uns stand der Sinn allerdings mehr nach großen kulinarischen Genüssen. Wir begannen mit Bruschetta. „Ich habe überlegt und ihnen zwei Gabeln und ein Messer mitgebracht“, lächelte die Bedienung. Wir lächelten zurück, obwohl wir bis heute nicht dahintergekommen sind, wieso das Besteck so knapp war. Anschließend ging es weiter zum Griechen, Elbe-Urlaub international.

Tag 2: Sonnig, Rückenwind. Grüne Elbtalaue, singende Lerchen im Ohr, eine unendliche Weite um uns, so sausten wir dahin und hin und wieder reif ich den Störchen zu: „Wir radeln nach Berlin!“ 

In Wittenberge wollten wir Kaffeepause machen, aber Baustellen und Kopfsteinpflaster schlugen uns schnell in die Flucht. Stattdessen strandeten wir bald darauf in einem Bauerncafe mit köstlicher Torte und netten Gesprächen mit weiteren Tourenradlern. Dann flogen wir weiter durch die meditative Deichlandschaft bis wir kurz vor einem Gewitter nach 110 km Havelberg erreichten, dessen Skyline mit Dom und Halbinsel pittoresk über die Havel leuchtete. 

Tag 3: Die sommerlichen Temperaturen hatten sich verabschiedet, aber der Rückenwind blieb und so pedalierten wir frohgemut weiter durch duftende Kiefernwälder und Rapsfelder, vorbei an der Otto Lillienthal Gedenkstätte . Fliegertag. Die Elbe blieb zurück, der Havelradweg begleitete uns ein Stück, dann bogen wir nach Friesack ab. Stück für Stück wurde die Strecke städtischer. Immer öfter gab es Ortschaften, wenn auch durchaus noch Hühner über die Straße liefen. Unterwegs erstand ich noch einen Keramikteller, in Fahrradtaschen ist doch eine Menge Platz. Weiter ging es Richtung Spandau, plötzlich gab es Ampeln und Autostaus neben uns, Kreuzungspunkte und Menschen, Radfahrer neben und hinter uns, mit Muskiboxen, Teens auf E-Rollern. Der Berliner Bär grüßte und ich spielte das Spiel aus Kinderzeiten „Wer zuerst den Funkturm sieht“ mit mir als einzigem Teilnehmer und Gewinnerin. 

Berlin, wir haben dich per Rad erobert! 320 km in drei Tagen! Die Stadt hat uns aber sofort auch die kalte Schulter gezeigt. Nicht nur, dass der Wind eisig blies, nachts wurde das Rad meines Liebsten aus dem Hotelkeller gestohlen. Schrecken der Großstadt. In Berlin behält man sein Fahrrad nur, wenn man darauf sitzt, erfuhr ich von meinem Cousin. So wanderten wir etwas erschüttert am Sonntag noch 16 km durch Berlin, ich hatte ein Bild bei Künstler Thomas Lensky abzuholen und etwas befremdet spazierten wir durch den Volkspark, wo ich als kleine Göre schon gespielt habe. Traumreise mit bitterem Ende. Berlin, du hast so viele Gesichter.