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Die norddeutschen Berge

Die norddeutschen Berge

Zwei Mal war ich schon da, in Bremen. Wo es flach ist und eben doch nicht. Jetzt zum dritten Mal. Der Berg, der keiner ist, sondern nur Hügel, die im ZickZack zu überrennen sind. Beim letzten Marathon dort in Eis und Schnee hatte ich beschlossen, nie wieder. Man kennt das als Läufer, dass so ein Nie meist nicht lange hält. Aber es genügte, um mich diesmal nur für den Halbmarathon anzumelden. Das sind schon 500 Höhenmeter. Im legendären Bremen-Maßel.

Das kennen nur die, die (immer wieder) dabei sind. Jeder gab mir Tipps, wenn ich erwähnte, dass ich von Bochum nach Bremen fahre, Tolle Stadt. Ich habe davon leider wieder nichts gesehen außer dem Bahnsteig. Dafür habe ich den Bürgerpark von Bremen-Maßel mit einer Intensität besichtigt, die wahrscheinlich weinigen Menschen gelingt.

Von der Bahnstation Bremen-Burg spazierte ich zunächst die dreieinhalb Kilometer zum Start, wo dann mein Liebster stand und die Zeitmessung unter Kontrolle hatte. Ich war also von Anfang an am Ziel und musste den Süßen immer nur für knapp 3 km wieder verlassen. Der Wetterbericht hatte alle Möglichkeiten offengelassen, aber ich Glückskind kam trocken an der Sportveranstaltung an. Pünktlich um 12 Uhr fiel für die fünf Halbmarathonis der Startschuss. Die anderen Teilnehmer und Nehmerinnen wollten alle länger auf der Strecke bleiben, Marathon oder Ultra waren wie üblich im Angebot. Deswegen hatten sie schon morgens angefangen zu kreiseln. Auch die legendäre Sigrid Eichner, mittlerweile 83 Jahre jung, war auf der Strecke und drehte Runde um Runde im flotten Wanderschritt, ohne je ihr Tempo zu drosseln. Die schmale Person war mit einem Halbmarathon eben nicht zufrieden, es musste schon der Marathon sein, den sie dann nach 8 Stunden und 33 Minuten eingesackt hatte. Ein beeindruckender Durchhaltewillen.

Ich dagegen war von Anfang an froh, dass diesmal nur neun Runden für mich zu Buche standen. Anders als beim letzten Mal zeigte sich die Strecke im besten Frühlingskleid. Keine gefrorenen Maulwurfshügel, sondern trampolinweiche Wiese, keine vereisten Stufen und Matschpisten, stattdessen romantische Waldpfade, freier Blick auf einen sich ständig verändernden Himmel, Krokusse und Schneeglöckchen am Wegesrand. Die Füße flogen und hier und da gab es Freunde zu begrüßen, am Verpflegungsstand lockten Gummibärchen und Kekse und mein Lieblings-Zeitnehmer nahm sich sogar Zeit, um eine Runde mit mir zu laufen.

Das Leben kann so gut sein.

Nach zweieinhalb Stunden war ich im Ziel, also wieder bei dem Zeitnehmer mit den schönsten Augen. „Du hast die schönsten Augen der Welt!“ war nämlich der Losungssatz, den wir sprechen sollten, um zu zeigen, dass wir die Anmeldungsinformationen gelesen haben. Aber ich wusste das schon vorher.

Jedenfalls bekam ich die Medaille umgehängt und die zweite Trophäe war die heiße Dusche. Als ich danach aus dem Fenster sah, konnte ich meinen Augen kaum trauen: Sturm, Schneehagel, Regen. Es gibt so Momente, da hat man einfach das Glück gepachtet. Während die letzten Marathonis sich gegen das Unwetter stemmten und die Zeitmessung um –, aber nicht ausfiel, wartete ich schön im Trockenen bis alles vorüber war. Danach war es schlagartig 5 Grad kälter, aber der Himmel wieder granatenschön mit Sonne und Wolken und Regenbogen.

Im Auto zwischen die Zeitmessanlage geklemmt konnte ich dann mit dem Schönäugigen in den regenerativen Abend starten. Neun Stunden Tiefschlaf. Danach waren wir mit Freunden zum Laufen verabredet.

Das Leben kann so gut sein.